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Nachlese vom 06. September 2017

Nachlese Erzählcafé vom 06. September 2017

So wichtig wie die Familie – Freundschaften als Familienersatz?

Mit: Dr. Janosch Schobin (Jg. 1982)

Moderation: Dr. Hartmut Wolter

Wie wird man zu einem Freundschaftssoziologen? Diese Frage wurde am Anfang des Erzählcafés an den Gast Dr. Janosch Schobin, Freundschaftssoziologe aus Kassel,  gerichtet. Seine Antwort an die 30 Gäste im Erzählcafé lautete: Durch den biografischen Bezug zum Thema und den Umstand, dass Freundschaften in der Soziologie – im Gegensatz zur Psychologie – ein kaum erforschtes Gebiet darstellen.

Dr. Janosch Schobin hat herausgefunden, dass sich der Ort an dem nach Freundschaften gesucht wird gewandelt hat, d.h. anstatt sich Freunde in der Familie zu suchen werden heute vielmehr Freundschaften mit nichtverwandten geführt, denn durch gesellschaftliche Veränderungen, wie dem demografischen Wandel, schwindet die Verfügbarkeit von Familienmitgliedern. Nichtverwandte Freunde gewinnen für uns also an Bedeutung. Wichtig für die Teilnehmer des Erzählcafés waren vor allem die Qualitäten, welche Beziehungen besitzen müssen, damit sie als Freundschaft gelten. Dabei wurde deutlich, dass Freundschaften sich sehr unterschiedlich gestalten können, es kann sich um eine Beziehung von Vertrauen und Geheimnisaustausch handeln, darum gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen, sie können aber auch als ‘‘Lebenszeugenschaft‘‘ dienen oder sich über mehrere Generationen erstrecken. Es entstand eine angeregte Diskussion über den erlebten Wandel von Freundschaften, wobei auch der Altersunterschied zwischen den Teilnehmern und Dr. Janosch Schobin zum Tragen kam.

Im Hinblick auf die Pflege im Alter stellte sich die Frage, wie Freunde die fehlende Familie ersetzen können. Dr. Janosch Schobins Studie zeigt, dass es sich bei Freundschaftspflege um eine Form von „verteilter Pflege“ handelt, also Aufgaben unter Freunden aufgeteilt werden, welche zudem selten leibesbezogen sind. Auffällig ist, dass die Freundschaftspflege durch ihren geschlechtsspezifischen und schichtspezifischen Charakter, soziale Ungleichheit fördert. So profitieren vor allem Personen aus unteren Schichten und Männer weniger von der Freundschaftspflege.
Auch die Teilnehmer empfanden es als zu große Belastung die leibesbezogene Pflege Freunden zu überlassen oder selbst so eine Verpflichtung einzugehen. Eine Teilnehmerin wies darauf hin, dass Freundschaften vor allem im Alter kostbarer werden und daher nicht von der eigenen Pflege dominiert werden sollten. Gelegentliche Hilfeleistungen könnten hingegen schon eher von Freunden übernommen werden.

-Johanna Ufkes-

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Seite aktualisiert am 12.08.2016