Erinnern – Wissen – Gedenken – Handeln -> eine neue Betrachtungsweise, die Sicht einer Täterfamilie der Opfer zu gedenken
Viele Familien treffen sich an Terminen wie Ostern, Geburtstagen oder Weihnachten und alle erzählen über das, was er/sie erlebt hat, und an welchem Punkt im Leben er/sie sich befinden. Mit der Zeit werden die aktuellen Themen beiseitegelegt und jemand holt Anekdoten und Bilder aus vergangener Zeit hervor. Es wird erzählt und die alte Familiengeschichte wiederbelebt. Dies tat auch die Familie von Daniel Manwire. Bei eher beiläufigen Gesprächen und weiterem Nachfragen tauchen allerdings erste Unstimmigkeiten in der Familiengeschichte auf und Daniel belässt es nicht dabei, sondern beginnt mit ersten Suchdurchläufen bei Google weitere Nachforschungen anzustellen. Noch ohne Ergebnisse begibt sich Daniel auf die Suche und beginnt mit einer längeren historischen Recherche. Die einstige Familiengeschichte bekommt erste Brüche. Über Hinweise der Mutter auf das KZ-Moringen bekommt Daniel langsam die Gewissheit, dass sein Großvater in der NS – Zeit einen Teil des ganzen Systems dargestellt haben soll. Im Verlauf der weiteren Recherche und durch Anfragen bei Archiven, bewahrheitet sich die neue Wendung der Geschichte um die Arbeit als Schneidermeister bei der SS. Er nimmt Kontakt zu Herrn Dr. Sedlaczek in der Gedenkstätte Moringen auf und beide begeben sich auf die weitere Suche.
Was soll er mit diesem Wissen tun? Für Daniel stellt es einen privaten Super Gau dar, den er in der Familie bewältigen will. Auch nach 5-6 Jahren Recherche ergibt der zufällige Fund einer Handtasche der Großmutter und der Umdeutung von Initialen eines Fotos, dass die Großmutter ebenfalls im KZ-Moringen ein- und ausgegangen ist. Daniel beschließt die Ergebnisse seiner Familie zu präsentieren und diese mit den Tatsachen zu konfrontieren. Es entsteht der Wunsch Kontakt zu den Opfern aufzunehmen. Doch entschuldigen kann er sich im Namen seiner Familie nicht, jedoch das starke Bedauern an die Opfer weiter leiten. Durch die Vermittlung über Dietmar Sedlaczek kommt es zu Begegnungen und Daniel beschreibt, dass es wichtig ist zu zeigen, dass die Vergangenheit den Nachfahren nicht gleichgültig ist.
Wie geht man mit einem Wissen über die Vergangenheit um? Die Geschichte von Daniel zeigt eindrucksvoll, dass es wichtig ist das Schweigen zu brechen und sich seiner Familiengeschichte bewusst zu werden. Das Aufklären von Unstimmigkeiten und die Bewusstmachung bedeutet eine intensive Auseinandersetzung.
Der spezielle Fall von Daniel und seiner Familie mit dem Wunsch ihr Bedauern an die Opfer weiter zu geben zeigt die sehr persönliche emotionale Betroffenheit der Nachfahren einer Täterfamilie. Dies bringt die eine persönliche Seite zum Ausdruck. In weiterer Funktion und da sollten wir uns alle angesprochen fühlen, stellt sie Repräsentant der weiteren Generationen, welche die Verantwortung tragen das Geschehene nicht zu vergessen.
Auch vor der NS – Zeit gab es nicht nur die Möglichkeit des Mitmachens, sondern auch des Ausreisens oder des Widerstandes. Das große Problem ist allerdings das des Schweigens und des nichts tun. Durch Veranstaltungen wie diese, kann man interessierte Menschen erreichen. Die Veranstaltungsreihe Opfer im NS in Zusammenarbeit mit der KZ – Gedenkstätte Moringen helfen das Erinnern, Wissen, Gedenken und Handeln zu fördern und weiter zu tragen. Als Ausblick möchte ich auf „Die Besserung“, eine Theaterstück in der St. Johannis Kirche am 26. Januar 2017 um 19:30, verweisen. Weiterhin bekommt man über den Verein „NS – Familien – Geschichten: hinterfragen – erforschen – aufklären e. V.“ Hilfestellung und Informationen für die eigene Suche.
- Frithjof Haupt